TV-Beitrag über ROW im WDR

"Nulltarif" oder null Tarif?

07.03.2018 | Brillen made in Rathenow. Die große Mehrheit der Sehhilfen, die in Deutschland über die Ladentheke wandert, stammt aus der brandenburgischen Stadt an der Havel. Gefertigt in den Rathenower Optischen Werken (ROW) – von Fachkräften, die für ihre hoch qualifizierten Fähigkeiten schlecht bezahlt werden. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) widmete den Verhältnissen bei der hundertprozentigen Fielmann-Tochter einen sechsminütigen Fernsehbeitrag.

Die metallzeitung berichtete im Juli 2015 über die Verhältnisse bei ROW. Foto: IG Metall

„Rathenow ist die Heimat der deutschen Brille“, sagt Konzernchef Günther Fielmann im Beitrag des WDR. Schon seit über 200 Jahren fertigten dort qualifizierte Fachleute Brillengläser, Brillenfassungen und optische Geräte an. „ROW ist einer der großen Betriebe mit Tradition. Und deshalb haben wir ihn übernommen.“ 

Billige Fachkräfte - branchenüblich?

Diese qualifizierten Fachleute – das sind vor allem Frauen, die in der DDR noch den Beruf der Optikerin gelernt hatten. Und sie verdienen, das stellt der Film schnell klar, viel weniger für den gleichen Job als angelernte Beschäftigte im Westen Deutschlands, wie zum Beispiel im baden-württembergischen Aalen beim Glashersteller Zeiss. Bei einer 35-Stunden-Woche beträgt das Einstiegsgehalt dort 2485 Euro, klärt der WDR-Film auf, für einen „Job, für den man etwa ein halbes Jahr angelernt werden muss, keine Ausbildung braucht“. Der WDR stellt „ein typisches Gehalt für einen Brillenmonteur“ bei ROW daneben: „1541 Euro brutto für bis zu 48 Wochenstunden“. „Branchenüblich“, wie Fielmann behauptet, sind die Löhne in Rathenow nicht. Eher schon „regional“ üblich. Auch das eine Verlautbarung von Fielmann gegenüber dem WDR.

Niedriglohn als regionales Problem

„Billiglohnland Brandenburg“ eben – damit, sagt Stefanie Jahn im Beitrag, habe auch die alte Landesregierung jahrelang geworben. Für ihren Film hat sich die WDR-Autorin auch mit der Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Potsdam und Oranienburg getroffen. Stefanie Jahn bestätigt im Film, dass der Niedriglohn für die Region das größte Problem ist. „Wir haben immer noch daran zu knabbern, dass hier wirklich nur kurz über Mindestlohn oder nur Mindestlohn gezahlt wird“, sagte die Erste Bevollmächtigte im WDR-Interview. „Und wir haben viel Kleinstrukturen, wo keine Betriebsräte und keine Tarifverträge die Mitarbeiter schützen.“

Betriebsvereinbarung seit 2015

2015 hat die IG Metall für die Beschäftigten bei ROW immerhin eine Betriebsvereinbarung durchgesetzt. Seither wird Mindestlohn gezahlt, der aktuell bei 8,84 Euro liegt. Die Wochenarbeitszeit wurde auf 48 Stunden beschränkt und eine gesündere Gestaltung der Arbeitsplätze durchgesetzt.

Trotzdem sind die Beschäftigten im brandenburgischen Rathenow klar im Nachteil gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen im Westen.  Das arbeitet der Beitrag immer wieder heraus. Die Beschäftigten der Fielmann-Tochter waren für den Film nur schwer zum Interview zu bewegen: „Nur wenige sind bereit, mit uns zu sprechen. Anonym. Zu groß die Angst“, heißt es.

Sorgen der Beschäftigten

Was sie anonym berichten, erklärt, warum sie Sorgen haben und sich nicht offen zu erkennen geben wollen. Oft, so erzählen sie, erführen sie  erst morgens, wie lange ihr Arbeitstag gehen würde, oder freitags würde erst entschieden, wer samstags kommen müsse. Und dann stehe da auch die vage Drohung im Raum, das Werk könne nach Polen verlegt werden.

Die IG Metall, so die Botschaft des Films, wird weiter kämpfen für „die Brillenwerker“ aus Rathenow. Und zwar auch deshalb, weil „wir jetzt schon Altersarmut auf uns zukommen sehen“, sagte Stefanie Jahn. Denn „viele Mitarbeiter haben zu geringe Löhne, um sich eine Rente erarbeiten zu können. Die wird auch auf Hartz IV-Niveau liegen.“

Der Beitrag im WDR-Fernsehen ist bis zum 28. Februar 2018 in der <link https: www1.wdr.de mediathek video sendungen markt video-hintergrund-fielmann-und-apollo-optik-100.html external-link-new-window>Mediathek verfügbar.

 

Von: kk

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