Ausbildungsreport 2024

Ausbildung 2024: Die Zufriedenheit ist gestiegen, aber …

29.08.2024 | Für viele junge Menschen beginnt in diesen Tagen ein neuer Lebensabschnitt. Sie starten in den Beruf, das erste Ausbildungsjahr beginnt. Wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt? Wie zufrieden sind die Auszubildenden? Wo gibt es Probleme? Wie ist die Qualität des Berufsschulunterrichts? Der neue Ausbildungsreport mit Schwerpunkt „Ausbilder/Ausbilderinnen und Ausbildungsmethoden“, den die DGB Jugend traditionell zum Start in das neue Ausbildungsjahr vorgestellt hat, gibt Antworten.

Die gute Nachricht zuerst: Die Mehrheit der Auszubildenden in Deutschland ist mit ihrer Ausbildung sowie mit ihren Ausbilderinnen und Ausbildern zufrieden. Und doch folgt das dicke Aber auf dem Fuß. Denn die Gesamtzufriedenheit mit der Ausbildung ist erneut rückläufig und es gibt deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Und: Die Quote abgebrochener Ausbildungen hat einen Höchststand erreicht. Zuletzt haben 29,5 Prozent der Auszubildenden ihre Ausbildungen abgebrochen. Dazu gab es noch nie so viele junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. „Fast 2,9 Millionen Jugendlichen fehlt ein qualifizierter Zugang zum Arbeitsmarkt“, schreiben Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, und Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär, im Vorwort des neuen Ausbildungsreports.

Wer und was? Das Studiendesign
Für ihren 18. repräsentativen Ausbildungsreport hat die DGB Jugend zwischen September 2023 und Mai 2024 wieder die Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet befragt, die Auszubildenden selbst. Insgesamt haben 10.289 Auszubildende aus den 25 meistfrequentierten Ausbildungsberufen im dualen System Auskunft gegeben. Auf 84 Seiten präsentiert die DGB-Studie Antworten über Ausbildungszeiten, Überstunden und die Übernahmesituation. Sie wirft einen Blick auf die Qualität des Berufsschulunterrichts und das Jugendarbeitsschutzgesetz. Außerdem geht der Report der Frage nach, welche Bedeutung eine gewählte Interessenvertretung für die Zufriedenheit der Auszubildenden hat.

Ausbilderinnen und Ausbilder im Fokus – Schwerpunktthema 2024
Der Schwerpunkt der diesjährigen Analyse lag auf der Betreuung während der Ausbildung. Die DGB Jugend wollte wissen: Wie steht es um das Engagement der Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben und wie beurteilen junge Menschen die Ausbildungsmethoden, die angewandt werden?

Die Ergebnisse machen deutlich: Unter den Auszubildenden herrscht dazu eine positive Grundstimmung. Mehr als drei Viertel der Auszubildenden (76,9 Prozent) fühlen sich durch ihre Ausbilderinnen und Ausbilder „immer“ oder „häufig“ korrekt behandelt. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) attestieren ihnen sogar, dass sie „immer“ oder „häufig“ auf ihre individuellen Lernbedürfnisse eingehen.

Die Ergebnisse zeigen außerdem, wie wichtig Ausbilderinnen und Ausbilder für die Zufriedenheit der jungen Menschen mit ihrer Ausbildung sind. Auszubildende, die sich korrekt behandelt fühlen und auf deren individuelle Lernbedürfnisse eingegangen wird, sind, so der DGB Ausbildungsreport 2024, um ein Vielfaches zufriedener mit ihrer Ausbildung.

Auch ein individuelles Feedback des Ausbildungspersonals hat Einfluss auf die Motivation und die Zufriedenheit der Auszubildenden. Wer mindestens einmal im Monat ein persönliches Feedback erhält, bewertet die fachliche Qualität der Ausbildung grundsätzlich deutlich häufiger als „(sehr) gut“. Allerdings beklagt mehr als die Hälfte der Auszubildenden, weniger als einmal im Monat eine persönliche Rückmeldung zu ihrer Ausbildung zu bekommen.

Mehr Zeit und mehr Weiterbildung für Ausbilderinnen und Ausbilder – Forderungen der DGB Jugend
„Nicht alle Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben haben genügend Zeit, ihre Auszubildenden auf Augenhöhe zu begleiten und sie so intensiv zu betreuen, wie es notwendig wäre“, sagt Kristof Becker, DGB Bundesjugendsekretär. „Sie brauchen für ihre Arbeit mehr Unterstützung. Arbeitgeber und Politik sind hier gefragt, denn Ausbilderinnen und Ausbilder brauchen für ihre Aufgaben mehr Zeit. Von kleineren Betreuungsschlüsseln würden alle profitieren.“

Neben mehr Zeit fordert der DGB aber auch für Ausbilderinnen und Ausbilder die Möglichkeit zu regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen. Denn auch die berufliche Bildung verändert sich fortwährend, zum Beispiel durch die Digitalisierung und die Transformation von Betrieben und Arbeitsprozessen. Dazu hat seit der Coronapandemie auch die mobile Ausbildung an Bedeutung gewonnen. Das sind Herausforderungen, mit denen auch die Ausbilderinnen und Ausbilder konfrontiert werden. Die DGB Jugend fordert deshalb: „Um mit dem Wandel schritthalten zu können, muss das Ausbildungspersonal sich regelmäßig fort- und weiterbilden können.“ Zudem sei es  „unerlässlich, dass Ausbilderinnen und Ausbilder neue didaktische Konzepte erlernen und erproben können“. Die DGB Jugend macht sich vor diesem Hintergrund für einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildung mit bezahlten Freistellungskosten stark.

Tarifverträge für mehr Zufriedenheit
Aber nicht nur das Ausbildungspersonal ist ausschlaggebend für die Zufriedenheit der Auszubildenden. Von den Auszubildenden, die angaben, dass für sie ein Tarifvertrag gilt (37,5 Prozent der befragten Auszubildenden), sind 74,7 Prozent mit ihrer Ausbildung „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“. Tarifverträge regeln neben vielem anderen auch eine angemessene Ausbildungsvergütung, die zur zur Zufriedenheit der jungen Menschen beiträgt. Tarifverträge gibt es zum Beispiel in den tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie. Doch auch dort sind die Arbeitgeber gefordert, in Sachen Ausbildungsvergütung einen ordentlichen Betrag obendrauf zu packen.

170 Euro mehr! Jugendforderung der IG Metall in der laufenden Tarifrunde
Für die derzeit laufende Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall deshalb eine eigene Jugendforderung formuliert, die den Auszubildenden 170 Euro monatlich mehr Vergütung bescheren soll. Aus gutem Grund: „Insbesondere Auszubildende leiden unter den gestiegenen Lebenshaltungskosten“, sagt Jörg Ullrich, zuständig für die junge IG Metall in Berlin, Brandenburg und Sachsen. „Viele Auszubildende müssen Nebenjobs machen, um überleben zu können. Das geht so nicht weiter.“

Die Höhe der Jugendforderung in der Metall- und Elektroindustrie ist dabei nicht zufällig entstanden. Alle Ortsjugendausschüsse haben Warenkörbe erstellt, um die Bedarfe von Auszubildenden zu ermitteln. Das Ergebnis: Ihre Kosten sind leider nahezu so hoch wie die von Facharbeiterinnen und Facharbeitern. Das hängt auch damit zusammen, dass Auszubildende von heute deutlich älter sind als zu früheren Zeiten, und in einer veränderten Arbeitswelt auch eigenständiger und flexibler sein müssen. Eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto sind deshalb für viele heute fast unausweichlich. „Wir haben lange bundesweit diskutiert und unser Ziel ist klar: Perspektivisch wollen wir die halbe Ecke“, sagt Jörg Ullrich. „Das bedeutet: 50 Prozent des Facharbeiterlohns für Auszubildende im vierten Ausbildungsjahr. Unsere überproportionale Forderung nach Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 170 Euro ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“

Kaffee kochen und Co – ausbildungsfremde Tätigkeiten erreichen neuen Höchstwert
Einmal mehr zeigt der DGB-Ausbildungsreport auch, welchen Einfluss die sogenannten ausbildungsfremden Tätigkeiten bei der Beurteilung der Ausbildung haben. Zu ihnen gehören zum Beispiel Kaffee kochen, Besorgungsgänge für die ausgelernten Kolleginnen und Kollegen oder putzen im Betrieb. Sie drücken auf die Zufriedenheit – und sie sind nicht unüblich, wie die Studie zeigt. Mehr als 15 Prozent der befragten Auszubildenden müssen „immer“ oder „häufig“ solche Tätigkeiten verrichten, die nicht Bestandteil der Ausbildung sind, nicht dem Lernerfolg dienen und nach § 14 Berufsbildungsgesetz auch verboten sind. Seit 2022 ist dieser Wert sogar um 4,3 Prozentpunkte angestiegen und hat damit einen neuen Höchststand erreicht.

Überstunden
Auch in puncto Überstunden ist (gegenüber dem Vorjahr) ein Anstieg zu verzeichnen. Mehr als ein Drittel der Auszubildenden (34,5 Prozent) muss regelmäßig Überstunden machen, im Durchschnitt 3,6 Stunden pro Woche. Fast jede und jeder zehnte Auszubildende (9,8 Prozent) bekommt für die geleisteten Überstunden weder eine Vergütung noch einen Freizeitausgleich. Damit verstoßen deren Arbeitgeber eindeutig gegen geltendes Recht. Denn im Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist in § 11 Absatz 1 Nr. 8 ausdrücklich festgelegt, dass die „Vergütung oder Ausgleich von Überstunden“ verbindlich zu regeln sind.

Betriebliche Mitbestimmung fördert die Zufriedenheit: Wählt im Herbst Eure Jugend- und Auszubildendenvertretung!
Wie auch in den Vorjahren belegt der Ausbildungsreport der DGB Jugend auch für 2024 wieder, wie wichtig eine betriebliche Mitbestimmung für die Zufriedenheit der Auszubildenden sind.

  • Gibt es im Betrieb eine Interessenvertretung, wirkt sich das positiv auf die Zufriedenheit der Auszubildenden aus. Unter den befragten Auszubildenden, die auf eine betriebliche Interessenvertretung zurückgreifen können, sind 76,7 Prozent mit ihrer Ausbildung „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“. Damit liegt der Wert signifikant höher als bei den Auszubildenden, die keine Interessenvertretung im Betrieb haben (61,5 Prozent).
  • Gezeigt hat sich auch, dass Auszubildende, die neben dem Betriebsrat auch eine Jugend- und Auszubildendenvertretung im Betrieb haben, noch höhere Zufriedenheitswerte angeben.

Auch in diesem Zusammenhang sind die Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV), die alle zwei Jahre stattfinden, von großer Bedeutung. In diesem Jahr ist es wieder so weit. Auszubildende und jugendliche Beschäftigte sind vom 1. Oktober bis zum 30. November zur JAV-Wahl aufgerufen.

Mitgliedschaft in der Gewerkschaft fördert die Ausbildungszufriedenheit
Einmal mehr hat der diesjährige Ausbildungsreport außerdem gezeigt, dass auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft positiven Einfluss auf die persönliche Ausbildungszufriedenheit hat. 75 Prozent der Auszubildenden, die Mitglied einer Ge­werkschaft sind, geben an, mit ihrer Ausbildung »sehr zu­frieden« oder »zufrieden« zu sein. Unter den Auszubilden­den ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft sind es lediglich 69,1 Prozent. Der Weg zu mehr Zufriedenheit ist ganz leicht: Mitglied in der IG Metall werden. Hier geht es direkt zu mehr Zufriedenheit!

Weitere Ergebnisse des DGB-Ausbildungsreports 2024:

  • Perspektive: Jeder und jede dritte Auszubildende (34,5 Prozent) weiß im letzten Ausbildungsjahr noch immer nicht, ob er/sie vom Ausbildungsbetrieb übernommen wird. Gegenüber dem traurigen Negativrekord von 2022 (45,3 Prozent) bedeutet dies eine deutliche Verbesserung. Die Chancen auf eine Übernahme hängen dabei stark vom jeweiligen Ausbildungsberuf ab.
  • Betrieblicher Ausbildungsplan: Mehr als ein Drittel der Auszubildenden (34,7 Prozent) hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan, obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist. Somit wissen diese Auszubildenden nicht, wie ihre Ausbildung ablaufen soll und was die Lerninhalte sind.
  • Qualität in der Berufsschule: Nur etwas mehr als die Hälfte der Auszubildenden (55,4 Prozent) bewertet die fachliche Qualität des Berufsschulunterrichts als »sehr gut« oder »gut« – gegenüber dem historischen Tiefststand im Vorjahr (53,7 Prozent) ist somit eine leichte Erholung zu verzeichnen.
  • Weiterempfehlen der Ausbildung:  Jeder und jede sechste Auszubildende (17,3 Prozent) würde die Ausbildung im eigenen Ausbildungsbetrieb nicht weiterempfehlen. Auffällig ist, dass die Begeisterung vieler Auszubildender im Laufe der Ausbildung abnimmt. Während im ersten Ausbildungsjahr noch zwei Drittel der Auszubildenden (65,9 Prozent) ihre Ausbildung weiterempfehlen würden, sind es im dritten Ausbildungsjahr weniger als die Hälfte (47,3 Prozent).

Quelle: IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen

Von: nf

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