15.03.2025 | Sie waren viele, sie waren laut und entschlossen: Rund 12.000 Metallerinnen und Metaller verwandelten den Augustusplatz in Leipzig am 15. März in ein rotes Fahnenmeer, um ein unübersehbares Zeichen für ihre Arbeitsplätze und den Industriestandort Deutschland zu setzen. Auch aus dem Einzugsbereich der IG Metall-Geschäftsstellen Oranienburg und Potsdam waren viele hunderte Kolleginnen und Kollegen in Leipzig mit dabei, beispielsweise von Alstom und H.E.S. aus Hennigsdorf, von ZF und B.E.S. aus Brandenburg an der Havel, von Mahle aus Wustermark, von Airbus aus Potsdam und vom Zahnradwerk aus Pritzwalk.
Bundesweit gingen an diesem Aktionstag der IG Metall mehr als 80.000 Metallerinnen und Metaller in fünf Städten – neben Leipzig auch in Köln, Stuttgart, Frankfurt und Hannover – zum Protest auf die Straßen, um Druck auf die nächste Bundesregierung zu machen. Denn sie haben genug von den Negativschlagzeilen, von den Abbauplänen der Manager, den Kürzungen und Verlagerungen. Sie erwarten, dass Politik und Wirtschaft endlich entschlossen investieren und fordern mehr Unterstützung für ihre Industrien und ihre Arbeitsplätze.
Symbolträchtig begannen die Protestveranstaltungen in allen fünf Städten um Punkt fünf Minuten vor zwölf. IG Metall-Vorstandsmitglied Ralf Reinstädtler warnte in seiner Eröffnungsrede in Leipzig vor einer politischen Hängepartie in Berlin. Die Menschen erwarten jetzt schnell ein Regierungsprogramm für eine starke Industrie und sichere Arbeitsplätze, so Reinstädtler. An Politik und Arbeitgeber appellierte Reinstädtler: „Zeigt Respekt gegenüber den Beschäftigten! Sucht intelligente Lösungen statt Kahlschlag und Stellenabbau!“
Ralf Reinstädtler begrüßte das von der künftigen Koalition in Aussicht gestellte 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur, sieht jedoch noch Konkretisierungsbedarf: „Wir brauchen dieses Geld für zusätzliche Investitionen, um Arbeitsplätze zu sichern und unsere Industrie und unser Land fit für die Zukunft zu machen.“
Reinstädtler warnte vor Investitionen und Subventionen mit der Gießkanne: „Wer Geld vom Staat erhält, muss sich an Bedingungen halten: Schluss mit dem Jobabbau, alle Arbeitsplätze bleiben in Deutschland – gut bezahlt mit Tarifvertrag und einer starken Mitbestimmung. Managementversagen ist durch Lohnverzicht nicht heilbar.“
Monatlich verliere die Industrie 10.000 Arbeitsplätze, in den energieintensiven Branchen stünden vier Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel, warnte Reinstädtler. Die IG Metall fordert deshalb einen Strompreisdeckel für Industrie und Verbraucher. Die Politik müsse zudem endlich verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, damit die Elektromobilität Fahrt aufnehmen könne: durch Kaufanreize wie sozial subventioniertem Leasing und einen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Außerdem müsse die Bundesregierung die Ansiedelung von Batteriezellenfertigung in Deutschland unterstützen, um die Abhängigkeit von Asien zu reduzieren.
Auch zahlreiche Betriebsräte forderten in Leipzig eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung in Deutschland. Wie dringlich die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben mehr Unterstützung für ihre Arbeit und die Industrieproduktion hierzulande erwarten, machten unter anderem Dirk Vogeler (ArcelorMittal Eisenhüttenstadt), Jens Köhler (BMW Leipzig), Uwe Kunstmann (VW Sachsen), Markus Gierloff (Stadler), Laura Arndt (Tesla) und Sabrina Selle (ZF Brandenburg) deutlich.
Sabrina Selle, Betriebsrätin und IG Metall-Vertrauensfrau bei ZF in Brandenburg an der Havel, betonte, dass es angesichts des Wandels in der Automobilindustrie Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen für die Unternehmen und die Beschäftigten brauche, „und das über den Tellerrand einer Wahlperiode hinaus“. „Wir müssen die Transformation in der Automobilindustrie fair gestalten und Arbeitsplätze in Deutschland sichern, und das über die gesamte Wertschöpfungskette.“ Selle forderte ein Ende des „Zick-Zack-Kurses“ der Regierung, der massiv Arbeitsplätze gefährde. „Wir müssen aufhören mit den Debatten um Ausstiegsdaten und Grenzwerte, sondern klare Bedingungen festlegen“, sagte Selle. „Wir brauchen eine klare Strategie der Politik. Diese muss einhergehen mit der Förderung der Infrastruktur, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und vor allem einer starken Mitbestimmung.“
In Leipzig ergriffen auch mehrere junge Metallerinnen und Metaller das Wort auf der Bühne. Mit ihren starken Redebeiträgen zeigten sie eindrucksvoll, dass sie für eine solidarische Zukunft des Landes und eine starke Gewerkschaft stehen.
Stefanie Jovanovic, Beschäftigte beim Zughersteller Alstom in Hennigsdorf und Mitglied im Ortsjugendausschusses Oranienburg, forderte, dass sich Politik und Industrie endlich zum Standort Deutschland bekennen müssen und keine Standorte hierzulande mehr schließen oder ins Ausland verlagern. Von der künftigen Bundesregierung verlangte Jovanovic ein Ende des „Hickhacks zur Mobilitätswende“. „Wir verlieren Arbeitsplätze, weil ihr euch nicht einigen könnt“, sagte sie in Richtung Politik. „Wir brauchen einen Zukunftsplan von der Bundesregierung, in der die Zukunft der Mobilität klar vereinbart ist. Und wir brauchen Investitionen der Unternehmen in genau diese Zukunft – eine grüne Zukunft mit Elektroautos und Zügen.“
Michelle Herrmann, ehemalige JAV-Vorsitzende bei der OHST-Medizintechnik AG in Rathenow, forderte von den Unternehmen, anstatt über Fachkräftemangel zu klagen endlich wieder mehr junge Leute gut auszubilden. „Wer Zukunft will, braucht keine hohlen Phrasen, sondern faire Arbeitsbedingungen, eine starke Mitbestimmung und verdammt nochmal eine Ausbildungsoffensive statt diesem miesen Kahlschlag“, so Herrmann. „Wenn es so weitergeht, verlieren wir nicht nur unsere Fachkräfte, wir gefährden auch unseren Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Sie appellierte an die Unternehmen, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen, und engagierte, aktive Beschäftigte nicht auszusortieren oder mundtot zu machen, sondern stattdessen die Mitbestimmung zu fördern.
Die Industriebeschäftigten senden mit ihrer starken Beteiligung eine klare Botschaft von Leipzig nach Berlin: Die Menschen erwarten von der neuen Regierung, dass sie die Industrie gezielt fördert und die Arbeitsplätze sichert. So lautet das Resümee von Anne Borchelt, der Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall Oranienburg-Potsdam.
„Die angekündigte Investitionsoffensive brauchen wir jetzt so schnell wie möglich“, so Borchelt. „Nötig sind massive öffentliche und private Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes. Um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien zu gewährleisten, braucht es umgehend einen fairen Brückenstrompreis. Nur eine leistungsfähige Infrastruktur und eine moderne Produktion sichern gute Arbeit in der Industrie hierzulande auch in der Zukunft.“