Gewerkschaftstag 2019

Carmen Bahlo fordert erhöhten Druck beim Thema „Arbeitszeitangleichung Ost“

15.10.2019 | IG Metall-Vorstandmitglied Carmen Bahlo hat zum Abschluss des Gewerkschaftstages in einer leidenschaftlichen Rede noch einmal betont, wie wichtig es für die IG Metall ist, das Thema „Arbeitszeitangleichung Ost“ ganz oben auf die Agenda zu setzen. Sie warnte die Delegierten: „Wenn wir da nur ein Stück weit zögern und nicht weitermachen, dann ist das Thema tot.“

Carmen Bahlo, hier eingerahmt von ihren Vorstandskollegen Jens Rothe (links) und Bernd Kruppa (rechts), richtete einen eindringlichen Appell an ihre Kolleginnen und Kollegen: "Lasst uns das Ding endlich wuppen." - Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de

Carmen Bahlo ist eine von drei Vertreterinnen im Vorstand der IG Metall aus dem Bezirk-Berlin-Brandenburg-Sachsen und Betriebsratsvorsitzende bei der ZF Getriebe Brandenburg GmbH. Nachfolgend ihre Rede auf dem Gewerkschaftstag im Wortlaut: „Als wir uns im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen vor mehr als zehn Jahren aufgemacht haben, das Thema „Arbeitszeitangleichung Ost“, die 35-Stunden-Woche, wieder auf die Agenda zu setzen, gab es eine ganze Menge Skepsis, auch in unserer eigenen Organisation, ob es richtig ist, nach der Niederlage 2003 so ein Thema wieder anzufassen.

Wo stehen wir heute? Ich glaube, wir sind verdammt weit gekommen. Das Thema ist in den Betrieben bei uns im Osten das Thema überhaupt; das hat die Tarifrunde 2018, das haben die 24-Stunden-Warnstreiks eindrucksvoll gezeigt. Das Thema ist mittlerweile aber auch in der Gesellschaft verankert. Niemand macht ein Fragezeichen dahinter, dass nach 30 Jahren Mauerfall die Angleichung überfällig wäre.

Und wir haben es in unserer eigenen Organisation geschafft, ganz viel Unterstützung und Solidarität zu organisieren. Ich möchte mich dafür noch einmal ganz herzlich bei Euch bedanken. An der Fotoausstellung „35 – im Osten wie im Westen: Jetzt ist unsere Zeit!“, die Ihr Euch im Ausstellungsraum anschauen konntet, haben sich 35.000 Menschen deutschlandweit beteiligt, und das ist ein wahnsinniger Erfolg.

Zahlreiche GBR-Vorsitzende waren an den Oststandorten – meistens haben wir eh Konzernableger – und haben sich dort auf den Betriebsversammlungen ganz klar dazu bekannt, dass das Thema jetzt endlich zum Abschluss gebracht werden muss. Und wir haben es geschafft, einer wirklich verdammt vage formulierten Gesprächsverpflichtung nach der Tarifrunde 2018 auch Tarifgespräche folgen zu lassen; man sagt immer „Gespräche“, aber es waren Verhandlungen. Deswegen sage ich noch einmal: Wir sind unwahrscheinlich weit gekommen. Ich glaube, wir waren noch nie so weit wie jetzt. Aber wir sind noch nicht am Ziel.

Ich persönlich glaube, wir stehen an einem Scheideweg. Ich war bei den Verhandlungen selbst dabei. Wir haben anderthalb Jahre geredet, und zwar erst auf der Ebene Berlin-Brandenburg, dann im kompletten Osten und jetzt wieder auf der Ebene Berlin-Brandenburg-Sachsen. Ich kann Euch eines sagen: Die Arbeitgeber sind dabei extrem arrogant und rotzfrech aufgetreten. Sie wollen sich nicht festlegen. Es soll ein freiwilliger Einstieg ein. Sie wollen eine volle Kostenkompensation. Sie wollen eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung, und sie wollen nicht einmal, dass am 01.01.2031 eine 35-Stunden-Woche verbindlich vorgeschrieben ist. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, dass wir das so nicht annehmen können. Wir haben ein Ultimatum bis zum Gewerkschaftstag gestellt. Dem wurde nicht entsprochen.

Ich glaube allerdings, dass die Arbeitgeber, aber auch unsere eigenen Kollegen jetzt ganz genau beobachten, was wir tun. Und wenn wir nur ein Stück weit erkennen lassen, dass wir jetzt zögern, dass wir uns nicht weiter trauen, dann – das sage ich Euch – werden sie uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Entweder kriegen wir gar keinen Tarifvertrag, oder wir kriegen so einen schlechten, dass er uns in Ost und West auf die Füße fallen wird. Wenn wir das Thema nicht endlich wuppen, wird es nicht nur im Osten ein Problem, sondern überall. Denn bei jeder Standortsicherung werdet Ihr auch damit konfrontiert werden. Wir müssen beim Thema „Arbeitszeit 35 Stunden“ die Angleichung an den Westen hinkriegen – nicht an den Osten. Damit haben uns die Arbeitgeber in den Gesprächen oft genug gedroht. Deswegen meine ich, dass wir in dieser Tarifrunde, die vor uns liegt, aufpassen müssen. Denn die Arbeitgeber gucken genau hin. Sie forderten in den Gesprächen zwei Erklärungsfristen: einmal das Jahresende und einmal Ende März. Sie werden genau beobachten, wie wir uns für die kommende Tarifrunde aufstellen werden. Und wenn wir da nur ein Stück weit zögern und nicht weitermachen, dann ist das Thema tot – auch bei unseren Kollegen. Und deswegen ist es wirklich wichtig, dass wir jetzt konsequent handeln, den Druck weiter erhöhen und das Ding endlich wuppen.“

Von: vw

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