14.02.2025 | Am Folgetag der mittlerweile siebten ergebnislosen Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag legten die Beschäftigten im Zahnradwerk Pritzwalk am Freitag, den 14. Februar, zwischen 6.00 und 9.00 Uhr zum zweiten Mal in diesem Jahr die Arbeit nieder, um den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen. Während des diesmal dreistündigen Warnstreiks stand die Arbeit in den Produktionshallen komplett still, weil sich nahezu die gesamte Frühschicht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zum Protest vor dem Werktor versammelt hatte.
Die Belegschaft im Zahnradwerk ist stinksauer auf ihren Arbeitgeber. Dieser bietet weiterhin nur eine Lohnerhöhung von zwei Prozent an und will anstatt über eine faire Entgelterhöhung über ein Prämiensystem verhandeln, dass unter anderem an Ausschussquote, Gewinn und Anwesenheitszeiten gekoppelt sein soll. „Das Verhalten und das Angebot des Arbeitgebers sind mehr als enttäuschend. Bei dem vorgeschlagenen Prämiensystem, an dem der Arbeitgeber krampfhaft festhält, kommt am Ende kein Euro für euch raus“, erläuterte Verhandlungsführerin Anne Borchelt, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg-Potsdam den Streikenden. „Eine so niedrige Ausschussquote, ab der der Arbeitgeber bereit wäre, eine Prämie zu zahlen, wurde hier im Werk bisher noch nie geschafft. Die Wahrscheinlichkeit, eine solch niedrige Quote zu erreichen, ist völlig unrealistisch.“
Auch der Vorschlag des Arbeitgebers, Prämien an Anwesenheitszeiten zu koppeln, sei für die Gewerkschaft nicht verhandelbar, so Borchelt: „Es ist für uns absolut inakzeptabel, dass sich Beschäftigte krank zur Arbeit schleppen sollen.“
Anne Borchelt stellte klar, dass es eine Lohnerhöhung von mindestens 6,85 Prozent auf die Entgelttabelle brauche, um das Tarifvertragswerk einzuhalten.
„Eine Wertschätzung der guten Arbeit der Beschäftigten seitens des Arbeitgebers ist nicht zu erkennen“ sagte Michael Siemens, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Verhandlungskommission. „Wir haben der Arbeitgeberseite mehrere konstruktive Angebote unterbreitet, aber die scheint beratungsresistent zu sein.“ Die Geschäftsführung verkenne den Fachkräftemangel, so Siemens. „Wir suchen händeringend Fachkräfte und Auszubildende.“ Trotzdem scheine das Motto der Arbeitgeberseite zu sein: „Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, kommen die Leute schon zu uns ins Zahnradwerk.“
Das Vertrauen der Belegschaft in die Geschäftsführung sei nach sieben ergebnislosen Verhandlungsrunden „dahin“, so Siemens. Die von der Geschäftsführung vorgeschlagenen Prämienziele sein „unmöglich erreichbar“. „Die Kolleginnen und Kollegen haben während unserer langen, tariflosen Zeit in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen mit Prämiensystemen gemacht und lehnen diese deshalb geschlossen ab.“ In Siemens‘ Augen versucht die Geschäftsführung den Konflikt auszusitzen. „Das wird sich die Belegschaft nicht gefallen lassen“, sagte Siemens. „Die Kolleginnen und Kollegen sind bereit für weitere Auseinandersetzungen, um ihre berechtigten Interessen durchzusetzen.“
Verhandlungsführerin Anne Borchelt kündigte während der Protestveranstaltung an, dass die IG Metall zeitnah zu einer Mitgliederversammlung einladen werde, um das weitere Vorgehen in den kommenden Wochen abzustimmen. „Bisher sehen wir wegen der Blockadehaltung der Arbeitgeberseite noch kein Licht am Ende des Horizonts“, sagte Borchelt. „Wir müssen jetzt gemeinsam abstimmen, wie wir weiter vorgehen wollen.“
Die Beschäftigten im Zahnradwerk sind offensichtlich kampfbereit: Mehrere Kollegen plädierten in der Diskussion vor dem Werktor vehement dafür, den Druck auf die Arbeitgeberseite schon bald mit einem 24-Stunden-Warnstreik massiv zu erhöhen.
Auf vielfachen Wunsch trug Anne Borchelt gegen Ende der Protestveranstaltung noch ein selbstgeschriebenes Gedicht vor – schließlich ist der 14. Februar Valentinstag. Borchelt brachte das berechtigte Anliegen der Beschäftigten in Reimform wie folgt treffend auf den Punkt: „Unsere Herzen schlagen in dieser Zeit für faire Bezahlung und Gerechtigkeit. Denn Liebe allein macht nicht satt, besser ist’s, wenn man Geld in der Tasche hat.“
Kurzinformation zur Historie der Tarifauseinandersetzungen im Zahnradwerk Pritzwalk: Vor zwei Jahren hatten die Beschäftigten im Zahnradwerk Pritzwalk nach mehr als 30 Jahren Tarifbindung erkämpft. Damals war die Geschäftsführung erst nach sechs bis zu 24-stündigen Warnstreiks und einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik dazu bereit, die IG Metall als Verhandlungspartner anzuerkennen. Im Sommer 2023 unterschrieben IG Metall und Geschäftsführung nach zähen Verhandlungen erstmals nach mehr als drei Jahrzehnten einen Tarifvertrag.