08.11.2024 | Die Beschäftigten bei ZF packen einen drauf: Am 8. November legten sie zum zweiten Mal in der aktuellen Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie die Arbeit nieder, um den Druck auf die Arbeitgeberseite weiter zu erhöhen. Zwischen 11.30 und 13.30 Uhr versammelten sich rund 250 Kolleginnen und Kollegen auf der Zufahrt zum Werk, um ihrer Forderung nach mehr Geld lautstark Nachdruck zu verleihen. Weiteres Thema auf der Veranstaltung waren die vor zwei Tagen bekannt gewordenen Pläne der ZF-Konzernleitung, am Standort Brandenburg in den kommenden Jahren nahezu die Hälfte aller Stellen streichen zu wollen. Zahlreiche Beschäftigte sind deshalb sehr verunsichert.
Zu Beginn der Protestaktion informierte Thomas Weber, zuständig für die Tarifpolitik der Metall- und Elektroindustrie beim IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen, die Warnstreikenden über den aktuellen Stand der Verhandlungen in der laufenden Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie.
„Dass die Arbeitgeber bei der dritten Verhandlung Anfang dieser Woche kein neues Angebot vorgelegt haben, zeigt, dass wir weiter Druck machen müssen“, sagte Weber. „Die Arbeitgeber müssen jetzt endlich in die Puschen kommen.“ Sie seien „mit ihrem mickrigen Angebot noch meilenweit von einem guten Angebot entfernt“.
Auch zur Forderung der IG Metall von 170 Euro monatlich mehr für Ausbildende hätten sich die Arbeitgeber bisher noch nicht konkret geäußert, so Thomas Weber weiter. „Um junge Leute für eine Ausbildung in der Branche zu gewinnen, muss man ihnen deutlich höhere Ausbildungsvergütungen bezahlen“, betonte Weber. „Im Vergleich zu anderen Branchen liegt die Metall- und Elektroindustrie bei den Ausbildungsvergütungen bestenfalls noch im unteren Mittelfeld. Man muss den jungen Kollegen eine Perspektive bieten, um sie für die Arbeit in der Branche zu gewinnen.“
Der aktuelle Verhandlungstand sieht wie folgt aus: Bisher schlagen die Arbeitgeber lediglich eine Entgelterhöhung um 1,7 Prozent zum 1. Juli 2025 und um 1,9 Prozent zum 1. Juli 2026 vor. Bis zum 30. Juni 2025 soll es für die Beschäftigten ihrer Meinung nach erst einmal keinen einzigen Euro mehr geben. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll nach den Vorstellungen der Arbeitgeberseite 27 Monate betragen. Auf 27 Monate gerechnet bedeutet dieser Vorschlag eine Lohnerhöhung von gerade einmal 1,6 Prozent. Die IG Metall fordert sieben Prozent mehr Entgelt und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 170 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Zudem will die Gewerkschaft eine soziale Komponente für untere Einkommensgruppen und mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten erreichen.
Thomas Weber bekräftigte, dass die Metallerinnen und Metaller in Brandenburg und ganz Deutschland mit weiteren Warnstreiks nachlegen werden, wenn die Arbeitgeberseite nicht ganz schnell ein vernünftiges Angebot vorlegt. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 11. November in Hamburg terminiert.
„Wenn wir der fadenscheinigen Argumentation der Arbeitgeber folgen würden, hätten wir nie wieder mehr Geld in der Tasche“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Sandro Hoffmann bei seiner Ansprache an die Kolleginnen und Kollegen. Für die Auszubildenden müsse es sowohl die Garantie einer unbefristeten Übernahme als auch mehr Geld geben, unterstrich Hoffmann. Zusammenfassend sagte er: „Das Angebot der Arbeitgeber ist in der Summe zu niedrig, die Laufzeit zu lang und die Erhöhung kommt zu spät.“
Stefanie Jahn, Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam, ging näher auf die Hiobsbotschaft ein, mit der die ZF-Geschäftsführung auf einer Betriebsversammlung vor zwei Tagen sämtliche Kolleginnen und Kollegen am Standort Brandenburg geschockt hat: Die Konzernleitung veröffentlichte Zahlen, nach denen am Standort Brandenburg bis Ende 2028 nur noch 900 statt bisher 1600 Menschen beschäftigt sein sollen. Der Konzern hatte im Vorfeld weder den Betriebsrat noch die Gewerkschaft informiert.
„Was das Unternehmen hier macht, ist an Frechheit nicht zu überbieten“, sagte Stefanie Jahn. „So geht man nicht mit Menschen um. Die Geschäftsführung muss sich ihrer Verantwortung stellen. Es ist keine Lösung, bei Schwierigkeiten die Hälfte der Leute einfach rauszuwerfen.“ Sie forderte die Geschäftsleitung auf, sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie das Unternehmen Beschäftigung am Standort Brandenburg für die Zukunft sichern kann.
Nach den Plänen des ZF-Konzerns sollen bereits bis Ende 2025 etwa 250 Stellen in Brandenburg gestrichen werden. „Auf der Veranstaltung hat die Geschäftsführung weder über sozialverträgliche Lösungsmöglichkeiten geredet noch über Vorschläge, wie man Arbeitsplätze bei ZF auf andere Art und Weise sichern kann, beispielsweise durch Weiterqualifizierung der Beschäftigten und die Entwicklung neuer Produkte“, so Jahn. „Die Konzernleitung scheint auf eine freiwillige Selbstaufgabe der Beschäftigten zu setzen. Das ist unverantwortlich und wird nicht funktionieren.“
Inzwischen hat weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten eine Petition unterschrieben, in der die Kolleginnen und Kollegen einen Zukunftstarifvertrag fordern, um die Arbeitsplätze in Brandenburg an der Havel auch in Zukunft zu erhalten. Sowohl der Betriebsratsvorsitzende Sandro Hoffmann als auch Stefanie Jahn machten unmissverständlich klar, dass sie die konzeptlosen Kahlschlagpläne des Konzerns nicht widerstandslos hinnehmen werden. „Wir werden um unsere Arbeitsplätze und sozialverträgliche Lösungen kämpfen“, kündigte Hoffmann an.