02.07.2025 | Die Beschäftigten im Bosch-Siemens-Hausgeräte-Werk in Nauen sind nicht bereit, die Tatenlosigkeit ihres Arbeitgebers in den laufenden Tarifverhandlungen widerstandslos hinzunehmen. Das haben sie mit ihrem zweiten Warnstreik am 2. Juli eindrucksvoll untermauert. Bei hochsommerlichen Temperaturen legte nahezu die gesamte Frühschicht zwischen 6.00 und 9.00 Uhr die Arbeit nieder und versammelte sich zum Protest auf dem Parkplatz vor dem Werkgelände. Im Werk stand die Produktion während des dreistündigen Warnstreiks komplett still.
Der Anlass für den Unmut der Belegschaft ist nachvollziehbar. Die IG Metall hatte der Arbeitgeberseite auf deren Wunsch bereits eine Woche vor der zweiten Verhandlungsrunde am 26. Juni in München einen konkreten Vorschlag vorgelegt, wie die Tarifparteien bis Ende 2028 schrittweise eine Angleichung an den Flächentarifvertrag für die Region Brandenburg erreichen können. Die Arbeitgeberseite ihrerseits hatte für das Treffen jedoch kein eigenes Angebot vorbereitet und auch kein Mandat, auf der Grundlage des konkreten Vorschlags der Arbeitnehmerseite zu verhandeln.
Die IG Metall-Verhandlungskommission fand dieses Verhalten verständlicherweise „mehr als enttäuschend“. „Der Arbeitgeberseite war klar, dass wir über eine Weichenstellung in Richtung Flächentarifvertrag verhandeln wollen“, sagte IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg-Potsdam zu den Warnstreikenden. „An die Fahrt nach München hatten wir die Hoffnung geknüpft, konkret an unserem Vorschlag zu diskutieren und zu verhandeln. Unsere Erwartung, dass wir nach dieser Verhandlung in München einen Vorschlag des Arbeitgebers in der Hand halten können, über den wir mit den Kolleginnen und Kollegen hätten diskutieren können, hat sich nicht erfüllt.“
Die nächste Verhandlung ist für den 16. Juli in Berlin terminiert. „Wir erwarten vom Arbeitgeber, dass er spätestens dann ein ernsthaft diskutables Angebot vorlegt und nicht wieder mit leeren Händen dasteht“, sagte Anne Borchelt. „Sonst werden wir mindestens einen weiteren Gang hochschalten.“
In Richtung Arbeitgeber sagte Borchelt: „Wir verstehen die Aktion heute als Unterstützung für die Geschäftsführung, ihre Vertreter mit einem Mandat für Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag auszustatten.“
Die Beschäftigten am BSH-Standort in Nauen seien stinksauer und enttäuscht über das Verhalten der Arbeitgeberseite, bestätigt IG Metall-Vertrauensmann Martin Stüwe. „Dass die Arbeitgebervertreter kein Mandat für Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag haben, ist ein Zeichen mangelnder Wertschätzung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen an unserem Standort“, so Stüwe. „Die Kolleginnen und Kollegen haben die Schnauze voll von der Ungleichbehandlung innerhalb des Konzerns“, unterstrich Stüwe. „Sie sind bereit, diesmal richtig durchzuziehen, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen.“
Hintergrund: Bundesweit arbeiten beim Bosch-Siemens-Hausgeräte-Konzern (BSH) rund 16.000 Beschäftigte unter fairen Flächentarifbedingungen - nur am Standort Nauen nicht. Die rund 460 Kolleginnen und Kollegen hier haben bisher keinen Tarifvertrag. Das wollen die Beschäftigten am einzigen Produktionsstandort des Konzerns in Ostdeutschland nicht länger hinnehmen.
Die Ungerechtigkeit im Konzern zwischen Ost und West spiegelt sich in zahlreichen Punkten wider: Im Gegensatz zu den Beschäftigten an den BSH-Standorten in Westdeutschland erhalten die Beschäftigten in Nauen beispielsweise kein Weihnachts- und kein Urlaubsgeld, keine über die gesetzlich vorgeschriebenen hinausgehenden Schichtzulagen, kein tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG) und kein Transformationsgeld.
35 Jahre nach dem Mauerfall und 30 Jahre nach Gründung des Werks in Nauen sei es mehr als überfällig, „dass die Beschäftigten in Nauen gleichbehandelt werden wie die Kolleginnen und Kollegen an den Standorten im Westen“, so Anne Borchelt. „Die Beschäftigten liefern hier am Standort ausgesprochen gute Arbeit ab und haben das Recht, genauso gut zu verdienen und genauso fair behandelt zu werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen im Rest des Landes.“