Vertrauensleutewahlen 2020

"Vertrauensleute sind einfach näher dran"

08.01.2020 | 2020 finden die Vertrauensleutewahlen in den Betrieben statt. Bei Bombardier in Hennigsdorf haben die IG Metall-Mitglieder bereits im November 2019 Vertrauensleute aus ihren Reihen gewählt – zum ersten Mal! Auf die 23 „Neulinge“ warten vielfältige Herausforderungen in ihrem Betrieb, aber sie gehen diese mit großem Engagement an. Eine der neu gewählten Vertrauensfrauen ist Sabine Pesch, die sich seit zwei Jahren auch schon im Betriebsrat engagiert.

Bombardier in Hennigsdorf hat im November 2019 erstmals Vertrauensleute gewählt. Eine von 23 "Neulingen" ist Sabine Pesch, die sich außerdem auch als Betriebsrätin engagiert. Foto: Volker Wartmann

Warum hast Du als Vertrauensfrau kandidiert?
Ich glaube, ich habe ein bisschen ein Robin-Hood-Syndrom. Ich finde es einfach toll, Dinge zu bewegen, positiv zu verändern und zu optimieren. Ich möchte weg von dem „das haben wir schon immer so gemacht“.  Das wird uns nicht retten. Wir müssen uns verändern. Dafür brauchen wir engagierte Leute – im Betriebsrat und gerade auch bei den Vertrauensleuten.

Welche Eigenschaften sollten Vertrauensleute mitbringen?
Für den Posten der Vertrauensleute brauchen wir Leute, die ein gewisses Standing im Unternehmen und in ihren Abteilungen haben. Vertrauensleute bekommen durch ihre Nähe auch Informationen von Kolleginnen und Kollegen, denen der Weg zum Betriebsrat zu weit ist. Für manche ist es eine Überwindung, zum Betriebsrat zu gehen und danach dann gefragt zu werden: „Was hast Du denn da gewollt?“ Weil die Vertrauensleute im Betrieb für alle Kolleginnen und Kollegen gut greifbar sind, ist die Hürde deutlich niedriger, diese bei Bedarf anzusprechen. Vertrauensleute sind einfach näher dran und bekommen so mehr mit.

Wie unterscheiden sich die Aufgaben von Betriebsrat und Vertrauensleuten?
Meiner Meinung nach können wir allein mit dem Betriebsrat nicht alle Kolleginnen und Kollegen erreichen. Darum ist es wichtig, dass wir Vertrauensleute im Betrieb etablieren, die als Kontaktpunkt zwischen Betriebsrat, IG Metall und Belegschaft fungieren. Ich würde mich freuen, wenn die Vertrauensleute so etwas wie ein Sprachrohr der Abteilungen werden. Die Betriebsräte sind ja nicht in jedem Bereich vertreten. Wenn Vertrauensleute in allen Abteilungen etabliert sind, bekommt man viel mehr Feedback aus allen Bereichen. So können Vertrauensleute als Vertreterinnen und Vertreter der IG Metall sowie auch der Betriebsrat viel besser auf die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen reagieren.

Welche Aufgaben haben Vertrauensleute?
In unserem Unternehmen befinden wir uns derzeit in einem Umstrukturierungsprozess. Das heißt, die Anzahl der Kolleginnen und Kollegen wird reduziert, aber das Arbeitspensum bleibt gleich. Viele sind verunsichert. In einigen Bereichen hat man fast den Eindruck, manche Leute haben fast schon resigniert. Viele haben auch Angst, etwas was zu sagen – beispielsweise, dass sie überlastet sind –, weil sie befürchten, dann auf eine Liste derer zu kommen, denen möglicherweise betriebsbedingt gekündigt werden könnte. Zur Aufgabe der Vertrauensleute wird daher viel Aufklärungsarbeit gehören. Zum Beispiel den Kolleginnen und Kollegen zu erklären, was ein Sozialplan ist und wer warum auf die Liste kommt. Wichtig ist außerdem, ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man reagieren und sich wehren kann, wenn es so weit ist. Vertrauensleute können in der jetzigen Situation viel machen, um diese psychischen Belastungen abzufangen. Allein schon dadurch, dass sie da sind, den Kolleginnen und Kollegen zuhören und mit ihnen reden.

Wie unterstützt Dich die IG Metall bei Deiner Arbeit als Vertrauensfrau?
Da wir Vertrauensleute alle erst frisch gewählt sind, sind wir noch in so einer Art Selbstfindungsprozess. Durch die Seminare bei der IG Metall bekommen wir das notwendige Handwerkszeug für unsere Arbeit als Vertrauensleute an die Hand und beispielsweise wichtige rechtliche und organisatorische Grundlagen vermittelt. Stefanie Jahn und Anne Borchelt von der IG Metall-Geschäftsstelle Oranienburg und Potsdam stehen uns als Ansprechpartnerinnen quasi jederzeit zur Verfügung. Deren Unterstützung ist für uns sehr wichtig.

Wie hoch ist der Organisationsgrad bei Euch im Betrieb?
Ich glaube, ich bin das einzige IG Metall-Mitglied in unserer Abteilung von ungefähr 30 Leuten. Ich habe schon versucht, Leute im Rahmen des Tariflichen Zusatzgeldes (T-ZUG) zu rekrutieren. Teilweise wussten Kolleginnen und Kollegen gar nicht, dass es das gibt und dass sie dadurch sogar mehr Geld bekommen würden. Vielen Kolleginnen und Kollegen ist gar nicht bewusst, was die IG Metall bereits an Verbesserungen für sie errungen hat. Das muss man ihnen klarmachen und vor Augen führen. Ich versuche, Verständnis dafür zu schüren, was die IG Metall jedem Einzelnen bringt und dass es daher lohnenswert ist, Mitglied zu werden und die IG Metall zu unterstützen.

Sabine Pesch ist 53 Jahre alt, arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei Bombardier. Sie ist zuständig für die Umsetzung von Standards.

Von: vw

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