Dritter Warnstreik im Zahnradwerk in Pritzwalk

Trotz „Angebot“ einer „Streikbruchprämie“: Beschäftige stehen geschlossen hinter der Forderung für einen fairen Tarifvertrag

28.10.2021 | Alle Zahnräder stehen still – im Zahnradwerk in Pritzwalk herrschte am 28. Oktober zwischen 13.00 und 16.00 Uhr in den Werkshallen zum wiederholten Mal gespenstische Stille. Der Grund: Die Beschäftigten der Früh- und der Spätschicht hatten die Arbeit niedergelegt und versammelten sich zu ihrem mittlerweile dritten Warnstreik vor dem Werktor.

Die Früh- und die Spätschicht im Zahnradwerk in Pritzwalk traten geschlossen in ihren dritten Warnstreik. - Fotos: Volker Wartmann

Die Beschäftigten sendeten einen eindringlichen Appell Richtung Geschäftsführung.

Stephan Vetter von der IG Metall-Bezirksleitung (rechts) bezeichnete die Gesprächsverweigerung der Geschäftsführung als "skandalös". Links IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt und der Betriebsratsvorsitzende Dennis Weidel (Mitte).

Einige Zahnradwerker wurde sogar von ihrem Nachwuchs unterstützt.

Warnstreik und gute Laune stehen nicht zwangsläufig in Widerspruch.

Die Forderungen der Beschäftigten sind eindeutig.

IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt kündigte an: "Wir lassen nicht locker!"

Unmissverständliche Botschaften Richtung Arbeitgeber.

Hungern muss beim Warnstreiken niemand.

Betriebsräte und Vertrauensleute von Alstom in Hennigsdorf schickten den Kolleginnen und Kollegen im Zahnradwerk Pritzwalk solidarische Grüße.

Dort forderte die Belegschaft die Geschäftsführung erneut nachdrücklich auf, sich endlich mit der IG Metall an einen Tisch zu setzen und über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Doch bisher verweigert die Geschäftsführung noch immer jegliche Dialogbereitschaft. Und nicht nur das: Zwei Tage zuvor hatte die Geschäftsführung im Werk einen Aushang gemacht, auf dem sie Streikbrechern – wortwörtlich – eine „Streikbruchprämie von 150 Euro brutto“ versprach. Dieser Aushang sei für sie eine „dreiste Provokation“ gewesen, der sie noch zusätzlich motiviert habe, die Arbeit niederzulegen, berichteten Kollegen vor dem Werktor.

„Die Kolleginnen und Kollegen haben diesen Aushang als Farce aufgefasst“, sagte auch der Betriebsratsvorsitzende Dennis Weidel. „Einerseits sagt der Arbeitgeber, es sei kein Geld da, andererseits bietet er eine Streikbruchprämie an. 150 Euro sind mehr als das Weihnachtsgeld, das wir letztes Jahr bekommen haben.“

Weidel kritisierte die „Grundhaltung“ der Geschäftsführung. „Die Geschäftsführung sagt bisher kategorisch, dass sie keinen Tarifvertrag will. Als ob ein Tarifvertrag etwas Böses sei. Dabei ist doch das Gegenteil der Fall: Ein vernünftiger Tarifvertrag bietet doch nicht nur den Beschäftigten Planungssicherheit, sondern auch dem Arbeitgeber. Das Problem ist, dass die Geschäftsführung sich noch nicht einmal anhört, was und wieviel die Gewerkschaft fordert. Die IG Metall schlägt ja einen Haustarifvertrag vor, der die betriebliche Realität berücksichtigt und den Arbeitgeber nicht überfordert. Die Leute hier wollen einfach nur eine feste Struktur und wissen, wo es hingeht.“

Dass Arbeitgeber und Beschäftigte unterschiedliche Interessen hätten, läge in der Natur der Sache, sagte Stephan Vetter, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen und zuständig für Tarifpolitik. „Aber es ist ein Skandal, dass auf Seiten des Arbeitgebers keine Bereitschaft besteht, über diese unterschiedlichen Interessen zu sprechen“, so Vetter. „Und skandalös ist es auch, dass der Arbeitgeber versucht, das gesetzliche Recht auf Warnstreik zu torpedieren, indem er versucht, mit einer Streikbruchprämie an niedere Instinkte zu appellieren. Umso wichtiger ist es, dass die Beschäftigten mit ihrer geschlossenen Beteiligung an dem heutigen Warnstreik dieser unmoralischen Strategie eine klare und unmissverständliche Absage erteilt haben.“

„Kommen sie endlich an den Verhandlungstisch. Wir machen hier weiter, wenn sie sich nicht bewegen“, rief IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt der Arbeitgeberseite eindringlich zu. „Dieses Mantra der Geschäftsführung, dass es hier keinen Tarifvertrag geben soll, ist unverschämt.“ Zu den Streikenden sagte sie: „Ihr habt hier heute eindeutig gezeigt, dass ihr euch nicht kaufen lasst. Das ist ein eindeutiges Signal.“ Borchelt kündigte an: „Auf Dauer wird der Arbeitgeber sich den berechtigten Interessen der Beschäftigten nicht verweigern können. Wir haben einen langen Atem, wir lassen nicht locker!“

Anne Borchelt übermittelte den Streikenden auch solidarische Grüße vom Betriebsrat und Vertrauensleuten vom Alstom-Werk in Hennigsdorf. Diese ließen ausrichten: „Grundrechte sind Menschenrechte. Deshalb ist es wichtig, auch bei den Themen Koalitionsfreiheit, Gewerkschaft und Tarifvertrag permanent am Ball zu bleiben und seine Rechte einzufordern. Wir als Betriebsrat und auch Vertrauensleute bei Alstom in Hennigsdorf wissen aus der Vergangenheit, wie schwierig es ist, derartige Dinge einzufordern. Auch wenn wir Tarifverträge haben, so sind wir doch permanent gefordert, diese auch im täglichen Prozess zu verteidigen. Denn Arbeitgeber scheuen nichts mehr als eine starke Belegschaft und deren Vertreter, die bereit sind, für ihre Interessen als Arbeitnehmer zu kämpfen. In diesem Sinne werden wir auch weiterhin hinter euren Forderungen stehen und euch in eurem Kampf unterstützen.“

 

Von: vw

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