Fünfter Warnstreik im Zahnradwerk in Pritzwalk

Achtstündiger Warnstreik: Belegschaft erhöht den Druck um eine weitere Stufe

18.11.2021 | Nicht im, sondern vor dem Zahnradwerk brannte am 18. November nach Einbruch der Dunkelheit noch Licht: Denn die Kolleginnen und Kollegen der Spätschicht wärmten sich um kurz vor 18 Uhr noch an einer Feuertonne auf dem Parkplatz vor dem Werk. Bereits seit 10 Uhr morgens hatte die Belegschaft im Zahnradwerk in Pritzwalk an diesem Tag erneut die Arbeit niedergelegt, um ihre Forderung zu untermauern, dass sich der Arbeitgeber endlich mit der IG Metall an den Verhandlungstisch setzt und mit ihr über einen Tarifvertrag verhandelt.

Die Belegschaft im Zahnradwerk Pritzwalk legte die Arbeit bei ihrem fünften Warnstreik für acht Stunden nieder. - Fotos: Volker Wartmann

Die Kolleginnen und Kollegen sind sich einig: Ohne Tarif, ohne uns!

Der Betriebsratsvorsitzende Dennis Weidel (links) und sein Vater Holger Weidel (rechts), der seit annähernd 45 Jahren im Zahnradwerk arbeitet.

Gute Laune: Im Streikzelt auf dem Parkplatz vor dem Werk konnten sich die Kolleginnen und Kollegen unter Heizpilzen zwischendurch aufwärmen.

Mit Pfeifen und Tröten sorgten die Kollegen vor dem Werk für ordentlich Stimmung.

Die Belegschaft steht geschlossen hinter der Forderung der IG Metall für einen fairen Tarifvertrag.

Gewinner des ersten Skat-Streikturniers im Zahnradwerk Pritzwalk: Frank Eckert (links). Rechts der Gewinner des dritten Platzes: Bernd Ölke. Zweiter wurde Enrico Kretschmann (nicht auf dem Foto).

Unmissverständliche Botschaften Richtung Arbeitgeber!

Auch nach Einbruch der Dämmerung unübersehbar: die warnstreikenden Kolleginnen und Kollegen vom Zahnradwerk Pritzwalk.

Forderten den Arbeitgeber eindringlich auf, endlich an den Verhandlungstisch zu kommen: Anne Borchelt (links), IG Metall-Verhandlungsführerin, Patrick Hesse (Mitte), zuständig für Tarifpolitik bei der IG Metall-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen und Stefanie Jahn (rechts), Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam.

Mit ihrem achtstündigen Warnstreik, dem bisher längsten und mittlerweile fünften in den vergangenen zwei Monaten, sendeten die Kolleginnen und Kollegen ein weiteres Mal ein klares „Signal“ in Richtung Arbeitgeber. Ein solches hatte dieser ausdrücklich gefordert: Sie warte auf „ein Signal der Mannschaft für den Beginn der Zusammenarbeit“, hatte die Geschäftsführung des Zahnradwerks Pritzwalk in einem Aushang im Werk am 9. November verlautbart.

„Was muss denn noch passieren, damit die Geschäftsführung endlich den eindeutigen Willen der Belegschaft respektiert und sich mit der IG Metall an den Verhandlungstisch setzt?“ fragte IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt. „Es kann doch nicht im Interesse der Geschäftsführung liegen, dass die Kolleginnen und Kollegen die Arbeit bald auf unbefristete Zeit niederlegen, um ihrer unmissverständlichen Forderung noch mehr Nachdruck zu verleihen?“

Die resolute Gesprächs- und Kommunikationsverweigerung der Geschäftsführung ist weder für die Beschäftigten noch die IG Metall nachvollziehbar. Zumal die Geschäftsführung in ihrem Aushang vom 9. November wortwörtlich formuliert hat: „Wir haben eine sehr engagierte und kompetente Mannschaft. Es ist aus unserer Sicht überfällig, dass die Bezahlung angehoben wird und sich dann auch weiterentwickelt.“

Diesen Faden griff Stefanie Jahn, Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam in ihrer Rede an die Belegschaft auf. „Die Geschäftsführung des Zahnradwerks kann sehr stolz sein auf ihre Mannschaft, weil diese so stark zusammenhält“, sagte Jahn. Eindringlich appellierte sie an den Arbeitgeber: „Packen sie ihren Stolz beiseite und kommen sie endlich an den Verhandlungstisch.“

Das forderte auch Patrick Hesse, Gewerkschaftssekretär für Tarifpolitik bei der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Die Kolleginnen und Kollegen stehen hier, weil sie ihr Recht, wie ihre Arbeitswelt aussehen soll, mitgestalten wollen“, sagte Hesse. In Richtung Chefetage rief er: „Kommen sie am besten gleich runter, reden sie mit uns und lassen sie uns gemeinsam schauen, dass wir hier etwas Vernünftiges hinbekommen.“

„Dass die Geschäftsführung noch immer versucht, die Sache hier auszusitzen, sorgt bei der Belegschaft für ein unbeschreibliches Unverständnis“, sagt Michael Siemens, Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission. „Spätestens jetzt, nach diesem fünften, diesmal achtstündigen Warnstreik, sollte der Geschäftsführung klar sein, dass es die Leute hier ernst meinen.“ Siemens weiter: „Die Geschäftsführung könnte es so einfach haben. Es geht erst einmal um das Zugeständnis, sich gemeinsam mit dem Tarifpartner an einen Tisch zu setzen – und das ist die Gewerkschaft, nicht der Betriebsrat.“ Siemens stellte zum wiederholten Mal klar: „Die Kolleginnen und Kollegen im Zahnradwerk sind sich einig: Ohne Tarif, ohne uns! Darum haben sie der IG Metall schon vor Monaten das Mandat übertragen, mit dem Arbeitgeber über einen Tarifvertrag zu verhandeln.“

„Die Voraussetzungen für Verhandlungen sind im Grunde doch längst gegeben. Die Geschäftsführung will über Lohnerhöhungen reden, die IG Metall auch“, sagt IG Metall-Verhandlungsführerin Anne Borchelt. „Warum die Geschäftsführung jedoch nur mit dem Betriebsrat, aber nicht mit uns sprechen will, ist absolut unverständlich und inakzeptabel. Der Gesetzgeber schreibt doch ganz klar vor: Tarifverhandlungen sind ausschließlich Sache der Tarifpartner – und das sind Arbeitgeber und Gewerkschaft!“

Die IG Metall hatte der Geschäftsführung beim bisher letzten Gespräch am 11. Oktober 2021 ein konkretes Angebot vorgelegt. Dieses hatte sich die Geschäftsführung aber noch nicht einmal richtig angeschaut. „Besonnene Kompromisse sind die Grundlage unseres Angebots. Unser Vorschlag ist ein Haustarifvertrag, der die betriebliche Realität berücksichtigt und den Arbeitgeber nicht überfordert“, betont Anne Borchelt. „Wir bewegen uns mit unseren Forderungen deutlich unter dem, was in der Metall- und Elektroindustrie in Brandenburg Maßstab ist. Unser Vorschlag bietet sowohl für die Beschäftigten als auch für den Arbeitgeber eine langfristige Planungssicherheit.“

Hartmut Winkelmann, Chefredakteur der Pritzwalker Stadtzeitung, beobachtet die aktuellen Auseinandersetzungen im Zahnradwerk von Beginn an intensiv. „Alles, was im Zahnradwerk passiert, ist immer Teil der ganzen Stadt“, sagt Winkelmann. „Im Zahnradwerk arbeiten viele Familien zum Teil seit mehreren Generationen. Der Arbeitskampf im Zahnradwerk ist deshalb ein sehr präsentes Diskussionsthema in der Bevölkerung.“ Eine große Mehrheit der Bevölkerung stehe hinter den Forderungen der Zahnradwerkerinnen und Zahnradwerker, so das Ergebnis einer Umfrage der Pritzwalker Stadtzeitung, erläutert Winkelmann. „Die Kollegen werden sich nicht auseinanderdividieren lassen“, sagt Winkelmann. „Das ist für jeden Beobachter ersichtlich und führt auch zu Interesse und Sympathie weit hinein in andere Betriebe.“

 

Von: vw

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