Warnstreiks in den Stahlwerken B.E.S. und H.E.S.

Beschäftigte bei B.E.S. und H.E.S. verleihen ihren Tarifforderungen mit eindrucksvollen Warnstreiks Nachdruck

08.06.2022 | Nahezu sämtliche Beschäftigten der Normalschicht im Brandenburger Elektrostahlwerk (B.E.S.) in Brandenburg an der Havel haben am Mittwoch, 8. Juni, mit ihrem ersten Warnstreik in der diesjährigen Tarifrunde Stahl Ost ein eindrucksvolles Signal Richtung Arbeitgeber gesendet. Rund 350 Kolleginnen und Kollegen demonstrierten zwischen 9.30 und 11.30 Uhr vor der Zufahrt zum Werk geschlossen und lautstark für ihre Tarifforderungen. Auch im Hennigsdorfer Elektrostahlwerk (H.E.S.) legten rund 200 Beschäftigte am Morgen für zwei Stunden die Arbeit nieder.

Beim Warnstreik bei B.E.S. in Brandenburg waren auch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten der örtlichen Presse vor Ort. - Fotos: Volker Wartmann

Bei H.E.S. in Hennigsdorf beteiligten sich rund 200 Kolleginnen und Kollegen zwischen 8.00 und 10.00 Uhr am Warnstreik. - Foto: IG Metall

Nico Faupel, Gewerkschaftssekretär, sprach zu den streikenden Kolleginnen und Kollegen - Foto: IG Metall

Bereit für Streit: die Kolleginnen und Kollegen bei B.E.S.

Metaller Uwe Teßmer (vorn rechts) forderte, dass sämtliche Flächentarifergebnisse auch bei B.E.S. umgesetzt werden.

Martin Bahn: Einer von rund 350 Metallern und Metallerinnen, die heute am Warnstreik bei B.E.S. teilnahmen.

Breite Entschlossenheit in Hennigsdorf: Warnstreik Jetzt! - Foto: IG Metall

Die nahezu unendlich lang scheinende Schlange der Warnstreikenden auf ihrem Weg zur Werkeinfahrt.

Stefanie Jahn, Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam, forderte die Arbeitgeber auf, zeitnah ein forderungsnahes Angebot vorzulegen.

Die Kolleginnen und Kollegen fordern in dieser Tarifrunde eine tabellenwirksame Lohnerhöhung.

Christoph Hahn, Bezirkssekretär IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, überbrachte solidarische Grüße der Bezirksleitung nach Hennigsdorf. - Foto: IG Metall

Auch die Beschäftigten in Hennigsdorf fordern geschlossen eine tabellenwirksame Entgelterhöhung um 8,2 Prozent. - Foto: IG Metall

Stefanie Jahn, Geschäftsführerin der IG Metall Oranienburg-Potsdam, sprach zu den Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg an der Havel. „Ihr fordert zurecht so nachdrücklich eine tabellenwirksame Erhöhung der Monatsentgelte. Das Angebot einer Einmalzahlung der Arbeitgeber steht im Widerspruch zur aktuellen Situation“, sagte Jahn. „Die Stahlbranche hat volle Auftragsbücher und macht üppige Gewinne. Darum ist es selbstverständlich, dass alle Beschäftigten angemessen an der guten Geschäftsentwicklung beteiligt werden. Darum ist forderungsnaher Abschluss mehr als berechtigt.“

Jahn erinnerte daran, dass die IG Metall in den vergangenen zwei Tarifrunden mit sogenannten Vernunftabschlüssen auf die instabile Lage in der Coronapandemie regiert habe. Und beide Male hätten die Beschäftigten in den Stahlbetrieben erlebt, dass anschließend die Gewinne der Unternehmen in die Höhe schossen, so Jahn. „Ein drittes Mal darf sich das nicht wiederholen. Dieses Mal muss es eine ordentliche Erhöhung in der Tabelle geben. Ihr habt es verdient. Mit einer Einmalzahlung lassen wir uns diesmal nicht abspeisen.“ Es gehe jetzt auch darum, die Kaufkraft der Kolleginnen und Kollegen zu schützen und zu stärken, so Jahn: „Die Beschäftigten brauchen das Geld und die Region braucht es.“

„Auch wenn die wirtschaftliche Lage unsicher ist: Es kann nicht sein, dass jedes Mal die Beschäftigten die Kosten der Unsicherheit alleine tragen und die Unternehmen davon profitieren“, sagte Jahn. „Die Kolleginnen und Kollegen legen sich ins Zeug und fahren Extraschichten, damit ihre Betriebe liefern können. Es ist nur fair zu fordern, dass die Arbeitgeber dies jetzt auch in der Tarifrunde anerkennen.“

Jahn kündigte an: „Wenn die Arbeitgeber in der nächsten Verhandlungsrunde kein forderungsnahes Angebot auf den Tisch legen, wird der Arbeitskampf nicht nur fortgesetzt, sondern ausgeweitet.“

„Unser Ziel ist es, sämtliche in der Fläche erzielten Tarifergebnisse auch bei uns umzusetzen, auch wenn wir nur einen Anerkennungstarifvertrag haben“, sagte Metaller Uwe Teßmer zu seinen Kolleginnen und Kollegen. „Wenn die Geschäftsführung versuchen sollte, die Umsetzung bei uns zu blockieren, werden wir dagegen vorgehen. Dass wir dazu in der Lage und kampfstark genug sind, haben wir in der Vergangenheit schon oft bewiesen. Wir werden uns nicht von der Fläche abkoppeln lassen.“

„Die Kolleginnen und Kollegen sind hochmotiviert, was den Streik betrifft“, sagte IG Metall-Vertrauenskörperleiter Karsten Armgart. „Der Laden brummt, die Auftragsbücher sind voll, aber die Geschäftsführung zeigt gegenüber den Beschäftigten keine Dankbarkeit. Wir wollen ein forderungsnahes Ergebnis, viel weniger als 8,2 Prozent sollten es nicht werden.“

In Hennigsdorf erinnerte Gewerkschaftssekretär Nico Faupel zudem an die Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre in der Stahlindustrie. „Wir haben 2021 mit Blick auf die damals wirtschaftlich fragile Situation einen Tarifabschluss der Vernunft gemacht. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch die Arbeitgeberseite einen Tarifabschluss der Vernunft macht. Vernünftig bedeutet deutliche, tabellenwirksame Entgeltsteigerungen in dieser Tarifrunde, denn die Kolleginnen und Kollegen brauchen diese Steigerungen sehr dringend", sagte Faupel. „Ich kann die Arbeitgeberseite hier bei H.E.S. nur auffordern: Rufen sie bei ihrem Verband an und setzen sie sich dafür ein, dass ein verhandlungsfähiges Angebot auf den Tisch kommt", forderte Faupel.

Steffen Lange, Vertrauenskörperleiter bei H.E.S, unterstrich die Haltung der Hennigsdorfer Belegschaft und befragte Streikteilnehmerinnen und Streikteilnehmer zu ihrer Meinung. „Ich kann es mir nicht mehr leisten" war dabei mehrfach zu hören. „Und genau deswegen brauchen wir ein Ergebnis, das ganz nahe bei unserer Forderung liegt", fasste Lange die Situation zusammen.

„Klasse Aktion. Ich finde es toll, dass ihr und wir gemeinsam solidarisch für unsere Interessen vor den Toren der Betriebe stehen. Heute hier bei euch in Hennigsdorf sowie auch die Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg an der Havel bei B.E.S.", sagte Christoph Hahn, Bezirkssekretär der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. Er überbrachte den Kolleginnen und Kollegen auch solidarische Grüße von Bezirksleiterin Birgit Dietze, der Verhandlungsführerin in dieser Tarifrunde .

„Ich hoffe nicht, dass wir das unbedingt müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt - denn so nehme ich euch hier wahr - wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegen, dann kommen wir gern auch ein zweites, drittes Mal oder, wenn nötig, auch unbefristet vor das Tor", resümierte Nico Faupel abschließend die Stimmung, was die Streikenden mit lautstarkem Beifall goutierten.

Zum Hintergrund: Die IG Metall fordert für die rund 8000 Beschäftigten in der ostdeutschen Stahlindustrie eine Erhöhung der Monatsentgelte um 8,2 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten. Darüber hinaus sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, über den Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung verlängert werden. Die Arbeitgeber haben in der ersten Verhandlungsrunde eine Einmalzahlung von 2100 Euro angeboten, aber keine Erhöhung der monatlichen Gehälter. Dieses Angebot weist die IG Metall als in Volumen und Struktur völlig unzureichend zurück. Die dritte Verhandlungsrunde in der ostdeutschen Stahlindustrie ist für den 13. Juni angesetzt.

 

Von: vw

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