24-Stunden-Warnstreik bei ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel

„Die Angleichung Ost ist kein Thema der ostdeutschen IG Metall, sondern der gesamten IG Metall.“

23.04.2021 | Ab 4.00 Uhr in der Früh lief bei ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel am Freitag, 23. April, gar nichts mehr: Denn die Früh-, Spät- und Nachtschicht versammelten sich zu einem 24-Stunden-Warnstreik vor dem Werktor, um mit coronakonformem Abstand geschlossen für die Forderung der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen zu demonstrieren: Angleichung Ost jetzt!

Klare Botschaft vor dem Werktor bei ZF Getriebe in Brandenburg an der Havel. - Fotos: Volker Wartmann

Im Werk lief nichts mehr. Warum? Die gesamte Belegschaft streikte vor dem Werktor, um für die Angleichung Ost zu demonstrieren.

Solidaritätsbesuch aus Friedrichshafen: Achim Dietrich (links), Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei ZF, und Helene Sommer (rechts), Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen.

Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg-Potsdam, informierte die Belegschaft über den Stand der Verhandlungen mit den Arbeitgebern.

Sandro Hoffmann, Betriebsratsvorsitzender bei ZF in Brandenburg, erläutert vor der Kamera die Forderung nach der Angleichung Ost.

IG Metaller Uwe Teßmer überbrachte solidarische Grüße der Kolleginnen und Kollegen vom Stahlwerk B.E.S. in Brandenburg.

Auch Pressevertreter waren bei dem Warnstreik vor Ort.

Das Duo Nah Dran sorgte mit Arbeiterliedern, Country- und Rocksongs im Zelt vor dem Werk für kurzweilige Unterhaltung.

Stefanie Jahn (links) und Helene Sommer (rechts), beide Erste Bevollmächtigte der IG Metall, Jahn in Oranienburg-Potsdam, Sommer in Friedrichshafen

Darum geht's: Angleichung!

„Mehr als 30 Jahre nach der Wende kann und darf es nicht sein, dass es in Ost und West noch unterschiedliche Arbeitsbedingungen gibt“, sagte Stefanie Jahn, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg-Potsdam. „Wir bekommen sehr viel Unterstützung für unsere Forderung nach der Angleichung Ost aus Gesellschaft und Politik – obwohl sich Politiker ja oft gerne zurückhalten, wenn es um Tarifauseinandersetzungen geht. Jetzt, wo es um Gerechtigkeit geht, zeigen sie Gesicht. So unterstützen beispielsweise Gregor Gysi, Wolfgang Thierse und Dietmar Woidke unsere Forderung nach der Angleichung Ost.“

Stefanie Jahn berichtete auch von der Tarifverhandlung mit den Arbeitgebern in Berlin-Brandenburg am Vortag. „Die Arbeitgeber haben sich unsere Argumente zwar angehört, aber waren zu keinem inhaltlichen und lösungsorientierten Austausch bereit. Ich hoffe, die Arbeitgeber zeigen bei dem nächsten Treffen, dass wir für die kommende Woche vereinbart haben, endlich Einsicht“, sagte Jahn. „Wir machen mit unseren Warnstreiks jetzt weiter Druck.“ Für die kommende Woche kündigte Jahn die nächsten 24-Stunden-Warnstreiks an. „Die Kolleginnen und Kollegen von Mahle in Wustermark werden am kommenden Montag mit einem Autokorso nach Berlin fahren“, so Jahn. „Auf der Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg wird dann eine Solidaritätsaktion mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller stattfinden. Wer Zeit hat, ist gerne eingeladen, mitzumachen.“

Aus Friedrichshafen, dem Stammsitz von ZF Getriebe, war prominenter Solidaritätsbesuch angereist: Der ZF-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Achim Dietrich und Helene Sommer, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen. „„Die Angleichung Ost ist kein Thema der ostdeutschen IG Metall, sondern der gesamten IG Metall. Die Angleichung Ost ist für alle wichtig“, sagte Helene Sommer. Den Streikenden versprach sie: „Die Kolleginnen und Kollegen aus Friedrichshafen stehen hinter euch.“

„Mehr als 30 Jahre nach der Deutschen Einheit erwarten wir, dass im gesamten ZF-Unternehmen die gleichen Arbeitsbedingungen herrschen. Darum steht der Gesamtbetriebsrat hinter der Forderung der Angleichung Ost, weil sie längst überfällig ist“, sagte Achim Dietrich. „Wir sitzen alle in einem Boot, die Leute arbeiten teilweise an den gleichen Projekten. Den Beschäftigten wird viel zugemutet, der Stress nimmt massiv zu. ZF will überall die gleichen Standards. Die Arbeitgeber machen keine Unterschiede, warum sollen die Beschäftigten diese dann an den verschiedenen Standorten haben? Hinter den Kulissen sagen die Arbeitgeber, dass die Produktivität an allen Standorten gleich hoch ist und es eigentlich gar keine Argumente für eine Ungleichbehandlung mehr gibt.“

Auch IG Metaller Uwe Teßmer, Betriebsratsvorsitzender im nahegelegenen Stahlwerk B.E.S., überbrachte den Streikenden solidarische Grüße. „Wir in der Stahlindustrie haben ja bereits seit vielen Jahren die 35-Stunden-Woche. Die Zeit hat gezeigt, dass die Argumente der Arbeitgeber nicht zutreffend sind. In der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie sowie in der Stahlindustrie sind Unternehmen mit der 35-Stunden-Woche wirtschaftlich erfolgreich und konkurrenzfähig“, sagte Teßmer. „Die Angleichung Ost ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn ihr zusammenhaltet, werdet ihr eure Forderungen durchsetzen.“

Sandro Hoffmann, Betriebsratsvorsitzender am ZF-Standort Brandenburg, freute sich über die Solidarität der anderen IG Metall-Bezirke in der Republik. „Es ist ein tolles Zeichen der Solidarität und eine große Unterstützung, dass sie den Pilotabschluss bisher noch nicht unterschrieben haben, damit wir die Chance haben, unser lokales Thema weiter zu platzieren“ sagte Hoffmann. „Wenn wir das Thema Angleichung jetzt nicht hinkriegen, kann das auch für die Kolleginnen und Kollegen im Westen Schwierigkeiten bringen. Denn es ist ja kein Geheimnis: Die Arbeitgeber wünschen sich lieber die 38-Stunden-Woche im Westen als die 35-Stunden-Woche im Osten. Darum müssen wir die Angleichung Ost schaffen!“

Forderungen der IG Metall
Die IG Metall fordert ein Volumen von 4 Prozent für Entgelterhöhungen oder zur Beschäftigungssicherung. Außerdem geht es um Zukunftstarifverträge, um die Transformation zu gestalten, und tariflich verbesserte Übernahmeregeln für Ausgebildete.

Dazu fordert die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen für die rund 290.000 Beschäftigten (110.000 in Berlin-Brandenburg und 180.000 in Sachsen) ein Tarifliches Angleichungsgeld, damit 30 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich Schluss ist mit der Ungleichbehandlung der Beschäftigten in Ost und West.

„Die IG Metall hat die Forderung nach dem Tariflichen Angleichungsgeld im Rahmen ihrer Gesamtstrategie bewusst nur in Berlin-Brandenburg und Sachsen aufgestellt. Daher sind die jetzt erfolgenden Pilotübernahmen in anderen Tarifgebieten keine Referenz“, sagt Birgit Dietze, Verhandlungsführerin und Bezirksleiterin der IG Metall in Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Das von den Arbeitgebern auch in der vierten Tarifverhandlung in Sachsen wiederholte Nein zum Tariflichen Angleichungsgeld befördert die in den Belegschaften bereits bestehende Empörung.“

Von: vw

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